Veröffentlicht am 12. August 2024

Mit Frauenpower in die Zukunft der Raiffeisenbank Ybbstal

Mann und Frau sitzen auf gelbem Ledersofa
Gottfried Losbichler übergibt an Birgit Schachinger. © FALKEmedia GmbH

Nach zwölf Jahren als Obmann der Raiffeisenbank Ybbstal, dazu zählen neben der Hauptanstalt Waidhofen die Bankstellen Neuhofen, Allhartsberg, Kematen, Servicebankstelle Rosenau, Im Vogelsang, Opponitz und Ybbsitz, übergab Gottfried Losbichler das Zepter Ende Juni an Birgit Schachinger. Die Gesellschafterin der Firma Schachinger Räume + Objekte und zweifache Mutter ist nun eine von vier weiblichen Obfrauen von insgesamt 42 niederösterreichischen Raiffeisenbanken. Was vielleicht nur wenige wissen: Die studierte Betriebswirtin spielt neben ihrem Hauptfach Akkordeon auch Geige und Gitarre. Die schönen Künste dürften in der DNA der RBY liegen: So war Birgit Schachinger Mitglied des Waidhofner Kammerorchesters, Gottfried Losbichler spielte bei den Windhager Jagdhornbläsern und Direktor Georg Berger konzertierte gar mit dem international bekannten Opernsänger Günther Groissböck. Ob das Einfluss auf die Geschäftsgebarung hat, lässt sich schwer ermessen. Musik allerdings verbindet. Und gemeinsam – von einfachem Mitglied bis hin zum Vorstand – zieht man bei der Raiffeisenbank Ybbstal an einem Strang. Wir haben die beiden Führungspersönlichkeiten zum Gespräch gebeten. Geführt wurde es von Karin Novak.

Der große Unterschied zwischen der Raiffeisenbank und anderen Banken liegt in der dezentralen Struktur. Während der Mitbewerb hierarchisch aufgebaut ist, funktioniert die Raiffeisenbank Ybbstal auf genossenschaftlicher Basis. Welche Vorteile ergeben sich daraus?
Losbichler: Jeder Gewinn, der erwirtschaftet wird, bleibt in der Genossenschaft, gehört also den Mitgliedern, die zugleich Miteigentümer sind. Das stärkt das eigene Unternehmen und unterscheidet uns im Wesentlichen von anderen. Es fließt eben nichts an Aktionäre oder sonst irgendwo hin, getreu unserer Devise „In der Region für die Region“. Ich sage immer, Raiffeisen ist die älteste Crowdfunding-Geschichte überhaupt, noch bevor es diesen Begriff gegeben hat. Aus der Not Ende des 19. Jahrhunderts haben sich Leute zusammengefunden, die Geld eingelegt und sich damit an der Bank beteiligt haben, damit andere es sich ausborgen, so ihr Überleben sichern und sich selbst etwas aufbauen konnten. Hilfe zur Selbsthilfe also. Dieses Prinzip gilt noch heute.
Schachinger: Einen weiteren großen Vorteil sehe ich in der Regionalität und der regionalen Entscheidungsgewalt. Bei anderen Banken werden größere Projekte von übergeordneten Gremien entschieden. Bei uns setzt sich das Gremium aus Vorstand und Aufsichtsrat zusammen. Bei Privatkunden ist eine Gremiumsentscheidung meist nicht notwendig, da liegen die Kompetenzen in der Geschäftsleitung und bei der Kundenbetreuung, je nach Höhe der Kreditsumme und der Bonität des Kunden. Ob zum Beispiel ein Unternehmen einen größeren Kredit genehmigt bekommt, entscheiden wir im Gremium. Aufgrund unserer flachen Hierarchie können solche Entscheidungen bei uns sehr rasch fallen, oft innerhalb von wenigen Tagen. Und was mir besonders wichtig ist, weil ich das aus eigener Kreditnehmersicht seinerzeit kennengelernt habe, in unserer Bank wird nicht bloß aufgrund
blanker Zahlen entschieden, sondern es werden zusätzlich die Visionen und Hintergründe beleuchtet und berücksichtigt.

Wie viele Mitglieder zählt die Raiffeisenbank Ybbstal?
Losbichler: Von unseren rund 22.500 Kunden sind etwa 10.000 Mitglieder. Pro 150 Mitglieder wird ein Regionalrat bestellt. Aktuell liegen wir bei 62 Regionalräten, die bei der Generalversammlung Vorstand und Aufsichtsrat wählen.

0,5 % vom Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit, kurz EGT, landen im Topf der Regionalförderung. Wie und an wen wird diese verteilt? Beziehungsweise an wen wendet man sich, wenn man ein Projekt für förderwürdig erachtet?
Losbichler: Ja, richtig, das heißt, je erfolgreicher die Bank wirtschaftet, desto mehr ist in diesem Topf. Wir unterstützen damit Vereine – von Feuerwehr über Rotes Kreuz bis hin zu Imker- oder Musikverein –, aber auch Projekte wie den EMIL, um Mobilität im ländlichen Raum zu gewährleisten. Diverse kulturelle Veranstaltungen oder die Renovierung von Kulturdenkmälern liegen uns auch am Herzen.
Schachinger: Unsere Regionalräte und Funktionäre strecken ihre Fühler aus auf der Suche, was und wen wir unterstützen. Man kann sich also an jeden unserer 62 Regionalräte, an unsere Geschäftsleitung oder gerne auch an mich wenden. Neben dem Fonds der Regionalförderung gibt es noch den Sozialfonds. Über ihn helfen wir in Not geratenen Mitgliedern. Das ist eine stille Hilfe, die nicht öffentlich gemacht wird.

Wenn Sie auf Ihre Obmannschaft zurückblicken, Herr Losbichler, auf welche Verdienste in den vergangenen zwölf Jahren sind Sie besonders stolz?
Losbichler: Auf eben diesen Regionalförderungsfonds, den wir 2017 eingeführt haben. Den gibt es nicht in jeder Raiffeisenbank, in ganz Niederösterreich gibt es mit uns nur zwei. Ein besonderes Anliegen war mir noch die Verzinsung der Geschäftsanteile. Das wurde noch in meiner Zeit beschlossen und befindet sich zurzeit in Umsetzung. Sprich ab 2025 erhält man erstmals eine Verzinsung auf seine Geschäftsanteile und somit auch einen Ertrag. In der Generalversammlung wird jährlich beschlossen, wie hoch die Verzinsung der Geschäftsanteile sein wird. Ein Meilenstein war darüber hinaus der Zubau in Waidhofen. Stolz bin ich auch darauf, dass wir fast alle Bankstellen erhalten konnten. In Zeiten der vielen Schließungen ist das keine Selbstverständlichkeit.

Worauf freut sich der private Mensch Gottfried Losbichler im Besonderen? Gibt es etwas, das Sie schon immer tun wollten und das Sie nun in der Pension umsetzen werden?
Losbichler: Ich freue mich besonders darauf, mehr Zeit für und mit der Familie zu haben. Und auch für meine Hobbys, sei es das Segeln, Wandern, Skifahren, Radfahren, Tanzen oder Musizieren. Ich habe eben erst mit dem Zitherspielen begonnen.

Frau Schachinger, als Geschäftsführerin von Schachinger Räume + Objekte am Oberen Stadtplatz und in Wien liegt Ihr Fokus vermutlich in erster Linie auf Neuem und Unbekanntem, zumindest designmäßig. Tradition und Moderne müssen aber kein Widerspruch sein. Welche Tradition wollen Sie bewahren? Welche Moderne wollen Sie unbedingt einbringen?
Schachinger: Was Gottfried hinterlässt, ist so gut, dass man es genauso einmal in Ruhe weiterführen kann. Man sollte auf jeden Fall bewahren, was sich bewährt hat. Dieses Bewahren ist ja auch ein Teil der Raiffeisen-Idee. Gerade für Kreditinstitute finde ich die Form der Genossenschaft einzigartig. Und sie hat sich bewährt. Dafür gilt es, sich weiterhin zu engagieren. Ich war ja zehn Jahre international in der Auto-Zulieferindustrie und sehr viel im Ausland unterwegs. Wenn man dann wieder zurückkommt und sieht, was da ist, an Innovationskraft, Fleiß und Tatendrang, dann ist es einfach eine Freude, sich für die Region einzusetzen. Diese guten Voraussetzungen, die wir wirtschaftlich haben, diese muss man fördern und in die Zukunft führen. Wir können uns natürlich nicht vor nationalen und internationalen, welt- und gesellschaftspolitischen Themen verschließen. Die kommen auf uns zu und da werden wir schauen müssen, die Dinge frühzeitig zu erkennen und richtige Entscheidungen für die Region und unsere Mitglieder zu treffen. Der Fokus liegt auch auf unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – bestehende zu fördern, neue zu rekrutieren und dabei stark die Jugend anzusprechen. Viele Junge suchen nach einem sinnstiftenden Job, da hat Raiffeisen ein bisschen mehr als eine andere Bank zu bieten. Der junge Mensch sieht, was er erwirtschaftet, bleibt in der Region für die Gemeinschaft, da schöpfen nicht irgendwelche Aktionäre ab. Auf all die brennenden Zukunftsthemen gehen wir deshalb proaktiv zu. Unser Bestreben ist es, die junge Generation dazu intensiv einzubinden.

Wird man weiterhin alles daran setzen, dass keine Filiale geschlossen werden muss?
Schachinger: Wir verfügen über ein dichtes Bankstellennetz und wenn es gut genutzt wird, dann sind Schließungen kein Thema. Aber wir messen natürlich die Kundenfrequenz, wie viele Leute waren am Vormittag in der Bank, am Nachmittag, was haben sie gebraucht, welchen Service haben sie in Anspruch genommen. Wir werden da individuell auf den Bedarf und die Wünsche ein- und mit sehr viel Fingerspitzengefühl vorgehen. Vor einer Schließung wird man noch vieles andere probieren, von Anpassung der Öffnungszeiten an den Bedarf über Einschränkung der Tage bis hin zum Erhalt der Geräte zur Selbstbedienung. Solange die Nachfrage dementsprechend ist, wird man Lösungen finden, dass man Bankstellen offen hält. Die Aufrechterhaltung des engmaschigen Bankstellennetzes ist natürlich ebenso kostenintensiv wie die Investitionen in die Digitalisierung und ins E-Banking. Diesen Spagat schafft die Raiffeisenbank besser als jede andere. Uns ist wichtig, dass wir alle Kanäle, über die der Kunde uns erreichen will, zur Verfügung stellen.

Die Vereinbarkeit von Muttersein und Karriere ist oft eine schwierige. Wie schaffen Sie diese Herausforderung?
Schachinger: Mein Mann und ich sind 50:50 Eigentümer unserer Firma und so handhaben wir das auch in der Familie mit unseren Kindern. Als die Kinder noch kleiner waren, hatte ich viel Unterstützung von den Eltern, sei es während des Studiums oder auch als wir unsere Firma aufgebaut haben. In der Rushhour des Lebens fühlt man sich schon oft hin- und hergerissen, Männern geht es da aber bestimmt nicht anders. Meist ist diese Zeit der Mehrfachbelastung zeitlich begrenzt und mittlerweile sind unsere Söhne sehr selbstständig. Im Rückblick wird man fast ein wenig wehmütig, wie schnell diese Zeit vergeht.

Was würden Sie Frauen am Beginn ihrer Lebensplanung raten?
Schachinger: Unbedingt die finanzielle Unabhängigkeit anstreben, sich nicht in finanzielle Abhängigkeit begeben, das ist das Allerwichtigste! Dafür ist es notwendig, sich um seine Finanzen frühzeitig selbst zu kümmern, sich zu informieren und sich im Bedarfsfall beraten zu lassen. Der Umgang mit Geld ist heutzutage viel schwieriger, weil die Verlockungen allgegenwärtig sind. Konsum geht ganz einfach, alles ist jederzeit und überall verfügbar, auf Knopfdruck. Es ist bestimmt klüger, so mancher Verlockung zu widerstehen, das dadurch Gesparte zur Seite zu legen und sich etwas zu schaffen. Und noch ein Tipp – nicht nur an die jungen Damen: Nicht alles ist immer einfach oder macht Spaß, aber mit einem gewissen Durchhaltevermögen schafft man Dinge, auf die man im Nachhinein stolz sein kann.

Herzlichen Dank für das Gespräch!


AKTUELLER VORSTAND
Obfrau: Birgit Schachinger
Obfrau-Stv.: Georg Brenn
Johannes Edinger
Anton Oberleitner
Erich Pilsinger
Bernadette Wagner

AUFSICHTSRAT
Vorsitzender: Andreas Geierlehner
Vorsitzender-Stv.: Heidemarie Stockinger
Andreas Schmidel
Tatjana Stangl
Peter Schneckenreither
Rudolf Beer jun.

Wordrap

Gottfried Losbichler

  • Ihr Traumjob als Kind: Landwirt
  • Ihre Definition von Glück: Glücklichsein bedingt Zufriedenheit.
  • Ihr aktuelles Buch am Nachttisch: „Von der Pflicht“ von Richard David Precht
  • Ihre drei Gegenstände für die einsame Insel: Messer, Feuerzeug und Schnur
  • Ihr Sehnsuchtsort: Salzburg
  • Ihre beste Aufladestation: zu Hause im Garten
  • Ihre Henkersmahlzeit: Frankfurter
  • Ihr Mantra: Nutze den Tag!

Birgit Schachinger

  • Ihr Traumjob als Kind: Lehrerin oder Floristin
  • Ihre Definition von Glück: Gesundheit und Zufriedenheit
  • Ihr aktuelles Buch am Nachttisch: „Große Reden der Weltgeschichte“
  • Ihre drei Gegenstände für die einsame Insel: Block, Stift und ein Instrument
  • Ihr Sehnsuchtsort: Skopelos
  • Ihre beste Aufladestation: Familie
  • Ihre Henkersmahlzeit: Zwetschkenknödel
  • Ihr Mantra: Sei edel, hilfreich und gut!
Veröffentlicht am 12. August 2024

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